Die Bahnfee III oder It’s Groundhog Day
Da meint man die Bahnfee wäre eine nette Dame mit Herz und Verstand. Aber weder das eine noch das andere trifft zu. Sie ist wie besagtes Murmeltier, äußerst unberechenbar in Ihrem Verhalten.
Heute Nachmittag hatte ich ein sehr interessantes Meeting aus dem ich mich erst ziemlich spät losreissen konnte. Ich sprang sozusagen “last Minute” in ein freies Taxi.
„Zum Bahnhof, schnell. Wenn Sie es bis 17:20 schaffen, kriegen Sie 2€ Trinkgeld.“ Dem Fahrer leuchteten die Augen, aber nur einen sehr kurzen Augenblick. Wahrscheinlich solange, bis er realisierte, das er wegen meinem Trinkgeld seinen Job nicht an den Nagel hängen kann. „Berufsverkehr“ sagte er mit einem Kopfschütteln.
Wir kamen natürlich erst um 17:25 Uhr am Bahnhof an - kein Trinkgeld also. Nicht dass ich es etwas befremdlich fand, meinen Koffer selbst aus dem Auto zu hieven, dachte ich doch, es gehöre zum guten Service und wäre im Preis inbegriffen. Aus – ich gebe zu – persönlichen Rachegelüsten ließ ich den Kofferraumdeckel offen. Also aussteigen musste der Mensch dann doch.
An dieser Stelle kommt meine Freundin die Bahnfee ins Spiel. Vermutlich steht sie in irgendeiner Beziehung zu eben diesem Taxifahrer, denn schon als ich den Bahnsteig betrat war mir klar: Das wird eine sehr lange Nacht.
Weiß auf blau war dort zu lesen: ‘5 min Verspätung’. Gott sei Dank dachte ich bei mir, dann kann ich noch rechtzeitig den korrekten Haltepunkt meines Wagens erkunden. Treue Leser kennen die Wagennummer schon auswendig. Richtig, Wagen 38. Eben dieser sollte sich an der Spitze des Zuges befinden. Abschnitt A war auf dem Anzeiger zu lesen. Also machte ich mich auf den Weg. Als ich die zweite Anzeigetafel passierte, sendete mein Unterbewusstsein eine Nachricht. Irgendetwas war an dem Schild anders…
… die Verspätungszeit hatte sich auf 15 Minuten geändert. Als ich am angezeigten Abschnitt A ankam, fiel mir auf, das sich der Wagenanzeiger auf der Rückseite des Schildes nicht mit dem auf der Vorderseite deckte. Im Abschnitt A hielt mein Wagen nämlich im Abschnitt F.
Kann passieren, dachte ich mir. Vielleicht klemmt da ja was. Noch auffälliger wurde die Beteiligung der Bahnfee als ich die Anzeige der Verspätung in Augenschein nahm. Wir waren mittlerweile bei 20 Minuten. Ich wollte mich gerade mit anderen Fahrgästen ordentlich darüber aufregen, als mit einem höhnischen Klappern die Anzeige auf „ca. 30 Minuten“ stieg. Okay, dachte ich mir, nur nichts sagen, sonst kommst Du nie zu Hause an.
Endlich nach ca. 40 Minuten verkündete die freundliche Stimme aus dem Lautsprecher, das der Zug jetzt einfahren würde. Freudig darüber, das ich die Bahnfee nicht weiter herausgefordert hatte, setzte ich an, mich in den bereits legendären Wagen 38 zu schwingen, als der Zugbegleiter freudestrahlend berichtete, das dieser Zugteil wegen technischer Mängel heute nur bis Köln verkehre und wir bitte in den vorderen Zugteil umsteigen müssten.
Mmh, liebe Bahnfee, das Spielchen kennen wir ja von letzter Woche. Also auf in den Abschnitt C, wo nach Meinung des begleitenden Personals die restlichen Wagen erster Klasse sein sollten. Nun ja, was soll ich drumherumreden. Der zweite Zugteil verkehrte heute natürlich aus verschiedensten Gründen wieder einmal in „umgekehrter Wagenreihenfolge“. Also lang ist so ein Zug ja schon und wieder konnte man im Vorbeirauschen von der vollschlanken Zugbegleiterin hören, dass wir uns bitte beeilen sollten, kein Wunder hätte der Zug Verspätung. Nur der Gedanke an die Rache der Bahnfee hielt mich davon ab, die Dame zwischen beide Zugteile zu werfen.
Außer Atem kamen also ca. 100 Leute am Wagen 28 an, der, wie ich mittlerweile weiß, der Counterpart zu Wagen 38 ist. Hier trafen wir auf einen gar lustigen Gesellen, der sich nicht nur als betrunkener Zugbegleiter sondern auch als großer Philosoph herausstellte. Nach ca. 20 Minuten, kurz vor dem Bahnhof Köln stellte er fest, das es in der ersten Klasse ganz schön voll sei heute. Und wie das erst werde, wenn der andere Zugteil in Köln abgestellt würde. Er bat auch um Verständnis, das er leider keine Entscheidungen treffen könne, das käme von ganz oben. ( Was meine Theorie der allgegenwärtigen Fee nur bekräftigt!!)
In Köln angekommen entschied ich mich der Bahnfee ein Schnäppchen zu schlagen. Sie vermutete mich ja in Wagen 28 des ICE613. Ich aber wollte jetzt umsteigen und mit dem ICE603 von Köln nach Karlsruhe unter Ihrem Radar bleiben.
Denkste!
Auch hier kam sie mir zuvor. Ich glaube sie materialisierte in Form des nach Wodka und Knoblauch riechenden, russisch-orthodoxen Priesters im schwarzen Gewand, der sich einfach frech neben mich setzte. Ich bin ganz sicher sie war es höchstpersönlich und gegrinst hat sie dabei auch…