… und jetzt machst‘e so! oder Von leeren Lehrern
Unser Kind wünschte sich schon lange, ein Instrument zu spielen. Ich habe mit ihr ein bisschen auf der Gitarre geklimpert und sie hat auch fleissig geübt. Letztendlich musste ich aber einsehen, das eine ganze Gitarre einfach zu groß ist und einfach nicht zulässt, das man Spass an ihr hat, wenn man so groß wie unsere Tochter ist. Seit geraumer Zeit plagt sie also der Gedanke an ein eigenes Instrument. Immer mal wieder keimte der Gedanke in ihr und der Wunsch wuchs. Proportional zu ihrem Wunsch wuchsen aber auch die Instrumente, die sie in ihre Betrachtungen einbezog. Als sie uns letzte Woche mit der letzten Version ihrer Vision einer musizierenden Luna konfrontierte, sah ich mich logistischen Herausforderungen konfrontiert, die ich früher oder später nur mit einem eigenen Bus hätte bewerkstelligen können. Luna wollte Harfe spielen!
Während wir von den informierten Verwandten Laute der Verzückung erfuhren – „Oh, wie schön, eine Harfe klingt sooooo toll!!“ – bekamen wir noch mehr graue Haare. Wir überlegten uns: Wo lehrt man so was? Was kostet das Instrument und was kostet der Unterricht? Wie kommt man dahin? Muss man das Teil jedes Mal mitschleppen? Also beschlossen wir dem Instrumentenwuchs Einhalt zu gebieten – obwohl meine Frau sarkastisch bemerkte, dass ja jetzt nur noch Flügel oder Kirchenorgel kommen könnten. Ich fügte noch Albhorn hinzu und wir beide beschlossen zu handeln.
Die Landauer Musikschule bot einen Schnuppertag an. Musikschüler wollten ein Konzert geben und im Anschluss würden allerhand Instrumente vorgestellt. Nachdem wir uns von deren Tragbarkeit überzeugt hatten und herausfanden, dass wir die meisten im Auto transportieren konnten, beschlossen wir am Samstag einen Abstecher nach Landau zu machen und unser Kind war begeistert. Nach dem Konzert, das wirklich nett vorbereitet war – Mozart und Händel führten durch das Programm – hatte Luna vier Instrumente in ihre nähere Wahl gefasst. Klavier, Gitarre, Violine und Cello.
Also begannen wir mit dem Klavier. Der zuständige Pianisten-Ausbilder kam auf Luna zugestürmt, klimperte auf den Tasten und sagte ihr: „do isch hoch und do isch tief.“ Sprach‘s und ward nicht mehr gesehen. Hier war also schnell klar, dass Luna das nicht für sich entdecken konnte. Dann ging es weiter zu den Violinen in einer anderen Ecke des Ganges. Hier waren zwei Damen sehr damit beschäftigt, ihr eignes Interesse an der Musik an die Kinder weiter zu vermitteln. Luna schaute sich das Ganze erst eine Weile an. Dann war sie selbst bereit eine Violine zu probieren, doch unserem Kind war wohl der Ton den sie produzierte zu hoch und zu nah am Ohr. Auch eine Bratsche brachte da keinen wirklichen Unterschied.
Das gleiche Schicksal ereilte die Gitarre. Wahrscheinlich verband sie mit der Gitarre auch schlechte Erinnerungen an schmerzende Finger nach unseren früheren gemeinsamen Übungseinheiten.
Jedenfalls ging es zum Abschluss noch zum Cello. Ganz fasziniert stand sie die erste Minute dabei und lauschte, wie die Kinder auf den Saiten sägten. Es waren zwei Cello Lehrer zugegen. Eine war äußerst engagiert am Werk und brachte schon mit ihrer Körpersprache zum Ausdruck, wie sehr sie das Instrument mag. Die andere hatte sich schon während des Konzerts als Leiterin der Musikschule geoutet. Luna bekam zuerst die Leiterin „zu spüren“. Ein Wesen mit einem wahnsinnig unsympathischen merkelschen Lächeln. Mit ihrem Bogen wies sie unser Kind an: „Hierher setzen!“ Drückte ihr ein Cello zwischen die Knie und kommentarlos einen Bogen in die Hand und sprach zu ihr: „… und jetzt machst‘e mal so!“. Sie machte einige sägende Bewegungen und damit war ihre Einweisung in die Handhabung eines Cellos zu Ende. Luna sah erschrocken zu uns und begann sofort mit den anderen Kindern Sägeübungen zu machen. Ich drohte am anderen Ende des Raumes Amok zu laufen, plante ich doch für unser Kind keine Ausbildung zum Holzfäller. Schon gar nicht in einer Musikschule. Eltern anderer anwesender Cello-Interessenten zogen kopfschüttelnd mit ihren Zöglingen ab. Keines der Kinder sah aus, als ob es seine Liebe zum Klang eines Cellos entdeckt hätte, noch so, als ob ein Elternpaar seinen Nachwuchs in die Hände dieser offensichtlich total überforderten Frau abgeben wollte. Kein Wunder, sie hat einfach kein Talent dafür. Sie mag vielleicht eine tolle Cellistin sein – was ich jetzt einfach mal unterstelle ohne einen Beweis zu fordern – denn ich verzichte - ob ihrer Art - auf ein Wiedersehen.
Gott sei dank sägte unser Kind lange genug. Die Drachennerven schienen überstrapaziert zu sein und sie „flog“ von dannen. Sie wurde abgelöst von der zweiten Cello-Lehrerin, die überaus freundlich auf Luna zuging und ihre erste Frage war: „Na, kannst Du hören, wie das Cello mit Dir spricht?“ Daraufhin stellte sie sich erstmal vor, führte ihr ein- zweimal die Hand und zeigte ihr, wie sie Töne auf den Saiten erzeugt. Sie beschäftigte sich ca. 15 Minuten intensiv mit Luna, die dabei superkonzentriert war und sich alles einprägte. Zwischendurch bat die Lehrerin unser Kind sie bei einem Stück zu unterstützen und so spielte die Lehrerin etwas tolles für die Ohren und Luna begleitete sie auf einer Saite. Das war natürlich sehr aufbauend. Unglaublich, wie unterschiedlich die beiden Menschen bei der Vermittlung von Wissen vorgingen. Letztere hat ein deutlich sichtbares Talent: Sie liebt ihren Job und sie liebt es Musik zu machen und ihr Wissen auch zu vermitteln. Wir sind mit Luna übereingekommen, das wir ein paar Probestunden Cello buchen. Damit sind wir sicherlich nicht beim kleinsten Instrument gelandet, aber ich konnte in Lunas Augen lesen, das sie das Cello gerne für sich entdecken würde. Also finden wir es heraus!
PS: Mittlerweile sind wir an der Musikschule in Kandel angemeldet, haben ein Instrument gemietet und mehrere Jam-Sessions Gitarre und Cello hinter uns. Die tolle Lehrerin ist es dann doch nicht geworden, sondern ein toller Lehrer, von dem wir und vor allem Luna begeistert ist.